Legende von der
Schlacht am Paliar

- nach den Erzählungen eines unbekannten Katzenmenschens

Da stand ich nun, an einem frühen Morgen im Jahre 513 auf einer kleinen Anhöhe gegenüber des mächtigen Kegels des Vulkans Paliar. Wieviele Geschichten kennen die Gamschen über diesen Berg? Daß er den Geist der Götter in sich berge, wurde erzählt. Daß man auf seinem Gipfel die letzte Stufe der Heiligkeit erlange, so es einem vegönnt ist, bis dahin zu kommen. Und natürlich war im ganzen Norden bekannt, daß man hier auf eine Jagd verzichten sollte, wollte man sich nicht dem Fluch der Elemente aussetzen. Und zu all diesen Legenden sollte heute noch eine hinzugefügt werden.

Die Sonne war noch nicht zu sehen, aber ihr Licht begann sich langsam über die Bergflanken zu breiten. Ein verräterisches Blinken von geputzten Waffen war im großen Umkreis auf dem Nordosthang zu sehen. Damals war ich noch das, was man unter uns Katzenmenschen ein Rauhfell nennt - ein unreifer Heißsporn, wie die Menschen sagen. Aber damals spielte das alles keine Rolle. Die Alten waren schon lange dem Ansturm der Blauen zum Opfer gefallen. Die eine Hälfte meines Clans fiel schon 509 bei der Verteidigung von Kildor. Die letzten bei den Schlachten um Usnech. Hatte ich mich früher noch gefragt, warum ich als Sis Selad für den Osten kämpfen und nicht lieber die Funkendynastie unterstützen soll, gab es nun keine Fragen mehr.

Wir Katzenmenschen sind zwar Einzelgänger und jede Art von Familiengefühl oder Rachegedanken, wie es die Helon oder Menschen haben, sind uns vollkommen fremd, aber wir haben ein persönliches Ehrgefühl, das uns jede Gefahr als Herausforderung begreifen läßt. Mich nun auf die Seite der Blauen zu schlagen hätte für mich bedeutet, den Wettkampf aufzugeben. Vielleicht wechsle ich später die Seiten, wenn sich die Waage anders geneigt hat, dachte ich damals. Bis zu diesem Tag war der Krieg für mich nur ein großes Spiel.

Mit der aufkommenden Dämmerung stieg nun langsam die Spannung. Ich hatte mich damals durch das Gebirge geschlagen. Das zerstörte Weramaka sah ich allerdings erst, als die Glut schon wieder erkaltet war. Dann traf ich eine Gamschengruppe, die von Darkot raufkam und vom ersten Sieg berichtete. Ihnen schloß ich mich erst einmal an und wir zogen nordwärts nach Seramaka, das nach der Flucht vieler Vogelmenschen das größte Heerlager im Norden war. Wir glaubten uns zu dieser Zeit in Sicherheit, denn das Sommerlager war schwer zu erreichen und bedeutete für den Zug der Blauen nach Osten einen unnützen Umweg zurück nach Nordosten. Wie sehr wir uns doch irren sollten.

Natürlich wußten die Metaphysiker längst von der Bedrohung die von den eigentlich als friedfertig bekannten Gamschen ausging. Nicht umsonst hatten sie das leichter zu erreichende Winterlager bereits zerstört. Der erste vernichtende Sieg am Darkot hatte sie dann vollends von der Gefährlichkeit der unbekannten Kräfte dieser Rasse überzeugt. So hätten wir uns damals eigentlich denken können, daß eine Vernichtung von Seramaka und damit eines Großteils des Gamschenheeres kein Umweg für die Funkendynastie, sondern der einzige Garant für einen Sieg über das Mittreich war.

Wie, wann und warum uns damals die gefährliche Truppenbewegung auffiel, weiß ich heute nicht mehr. Es muß einer der vielen Zufälle gewesen sein, die bei einem solchen Kampf immer über Sieg oder Niederlage entscheiden. Vielleicht waren es ja doch die Götter, an die ich ja eigentlich nicht glaube. Aber sei es wie es sei, wir hatten einen kleinen Spähtrupp zusammengestellt und beobachteten daß das Heer der Funkendynastie sich am Fuße des Paliar sammelte und einen Angriff auf Seramaka vorbereitete.

Es war das größte Aufgebot, daß ich je gesehen hatte. Die 1., 3., 4. und 6. Nordarmee war zusammengezogen worden. Die fehlende 5. schien sich Ablenkungsscharmützel in den Ebenen zu liefern. Die 2. war nach dem Darkot - Desaster gerade dabei, sich neu zu ordnen. Nun hatte ich das gefunden, was ich immer gesucht hatte - die größte Herausforderung meines Lebens.

Nachts schlich ich mich ins Lager und erfuhr, daß der Angriff im Sonnenaufgang erfolgen sollte. Man plante nach der Vernichtung der Westgamschenstämme und des Winterlagers, nun eine Zerschlagung des spirituellen Widerstandes und natürlich Rache für die Niederlage am Darkot-Pass. Die Aktion hatte höchste Priorität und war vom obersten Kommandanten aller 6 Nordarmeen Thoar, persönlich geplant und geleitet worden. Sein einziger Fehler bestand darin, daß er geglaubt hatte, die nächtliche Ankunft bliebe unentdenkt und das Warten auf den Sonnenaufgang wäre wichtig für die Ruhe der Soldaten und die bessere Koordination des riesigen Heeres.

Als der Morgen graute begann die Erde zu beben. Erst hatte ich mich heimlich ins Getümmel stürzen wollen, aber das wäre mein sicheres Ende gewesen. Die 7 Hohe Priester der Gamschen, besser gesagt, die 6 Elemente Meister und das spirituelle Oberhaupt, hatten sich auf den Anhöhen rund um Paliar versammelt. Seit den Morgenstunden hatten sie sich in stillen Gebeten geübt um Kraft für den bevorstehenden Kampf zu sammeln. Nun war es so weit und ich bekam es zum ersten mal in meinem Leben richtig mit der Angst zu tun.

Das alles war auch mein Werk, aber ich hatte es nicht mehr unter Kontrolle. Der Boden bebte immer stärker. Das Herrlager das im Aufwachen begriffen war verfiel langsam erst in Unordnung und dann in Chaos. Zu unbestimmt waren die Nachrichten vom unglaublichen Sieg der STURMarmee am Pass und bis jetzt wußten die Blauen noch nicht, daß alle ihre Sicherheitsmaßnahmen nutzlos waren gegen den neuerstarkten Glauben der Vogelmenschen. Aber eine Ahnung davon setzte sich langsam durch.

 

Plötzlich war es still. Ein unbeschreiblicher Augenblick. Als ob das ganze Land die Luft angehalten hätte. Kein Grashalm wagte es, sich zu bewegen und eine seltsame Kühle strömte durch den Körper. Einen Moment lang fühlte man sich seltsam leicht und über den Dingen. Es gab keine Fragen mehr. Das ganze Leben zog an einem vorbei, doch alle Gefühle, alle Angst, Leid, Trauer, Freude, Glück und Träume waren ein und dieselbe Empfindung. Einen Augenblick lang war man eins mit dem Leben und allen Lebewesen, beseelt von tiefen Wissen und im bunten Reigen der Leichtigkeit aller Dinge. Einen Moment lang unsterblich.

Dann brach der STURM los. Schwarze Wolken zogen sich zusammen, die Erde bebte erneut, doch diesmal anders als vorher. Die Erstarrung im Lager wich einem Schreien und einer Unordnung die nur noch Flucht kannte. Wie ein Ameisenhaufen sah alles von oben aus. Schwarze kleine Punkte, die sich in geschäftiger Eile zu Knäulen mit langen Fransen formten, im Rhythmus der Panik mal hier hin und mal dahin strömten. Oder wie ein Bienenschwarm der sich auf unsichtbare Feind in den eigenen Reihen stürzte, aber eigentlich waren alle nur wie Staubkörner, die der Wind nach belieben verwirbelte.

Als der Paliar dann anfing Feuer zu speien, war das fast wie eine Erlösung. Die Gewissheit nach dem grausamen Vorspiel. Wie eine große Zunge leckte der Berg die Insektenscharen von seinem Mundwinkel. Die goldgelbe Lava ergoß sich über den gesamten Nordhang von Westen bis Osten. Als ich das sah, begann ich den Krieg zu hassen.

Als die leuchtende Zunge zu verblassen begann, ertönte in die entstandene Stille lautes Kriegsgeschrei von den umliegenden Anhöhen. Kleine Gruppen der STURMarmee strömten aus, um die wenigen glücklich Überlebenden aufzusammeln und gefangen zu nehmen.

Die Schlacht am Darkot Pass ging zwar in die Geschichte als erster großer Sieg der östlichen Welt ein, aber die Geschehnisse am Paliar brachten die Wende in diesem unbarmherzigen Bürgerkrieg.

Ich weiß nicht, wie lange ich noch an diesem Fleck gesessen habe. Es war jedenfalls mehr als ein Tag. Ich bekam meinen Blick einfach nicht von diesem grauenhaften Anblick los. Die Gewissheit, daß ich am Tod tausender Soldaten verantwortlich war, ließ mich nicht los. Am Rande des Basalts ragten bleiche weiße Knochen als stumme Ankläger heraus. Im Mondlicht ergaben sie ein schreckliches Bild. Nie wieder habe ich etwas grausameres gesehen, auch wenn noch viele Wesen meinen Pfeilen und Fallen zum Opfer fielen. Und nie wieder haben Gamschen eine solche Macht von den Elementen verliehen bekommen.

Der "Hang der tausend Toten", wie er heute genannt wird, ist inzwischen der stilleste Ort im ganzen Land. Im weiten Umkreis trauen sich weder Pflanzen noch Tiere irgendwie heimisch zu werden. Auch der Sommersitz der Gamschen, der ja damals unzerstört blieb, wurde weiter nach Südosten verlagert. Das hat natürlich weiter zur Legendenbildung beigetragen. Dem Basalt des Paliar wird heute eine seltsame Kraft zugeschrieben. Waffen, die Steine davon enthalten, sollen merkwürdige Fähigkeiten haben, aber sie sind sehr selten.

Weiterhin mysteriös ist das Ende der 7 Hohe Priester. 3 fielen im Laufe des Krieges, 2 wurden ermordet und die anderen beiden gelten bis heute als verschollen. Bei ersteren fand man ein merkwürdiges Symbol, daß als "Fluch des Thoar" bekannt wurde. Aber das erzähl ich dir vielleicht ein andermal.

 


Diese Seite drucken Kommentar zu dieser Seite abgeben
Weiter zu: Geschichte des Landes
  Gebiete des Landes (Landschaftsformen und Lebensweise)
  Pantheon der Menschen, Katzenmenschen und Helon
  Kreaturen des Landes
  Bewohner (Nichtspielercharaktere) des Landes
  Kalender des Mittreiches
  Sprachen des Landes
   
  Entstehung des Bürgerkrieges
   

Zurück per Browser oder
hier (Land - Übersichtsseite ohne Frames!) dort (Land - Übersichtsseite mit Frames!)